In seinen PERSPEKTIVEN greift Ansgar Hörsting, Präses des Bundes Freier evangelischer Gemeinden, einen Aspekt aus dem Leben oder ein Thema aus der öffentlichen Diskussion auf.
Ich habe neulich in Mailand einen Espresso getrunken. Er war gut. Die Italiener haben es einfach drauf. Der Espresso kostete 1,10 Euro. Im Stehen. Dann bekam ich die Rechnung. Sie war korrekt über 1,10 Euro, klar. Aber was mich überraschte, was mich geradezu schockierte, war die Länge dieser Rechnung: knapp über 30 cm lang, mit unglaublich vielen Zahlen und unverständlichen Textzeilen. Viel Klein-Gedrucktes. Sehr kompliziert. Für Finanzspezialisten möglicherweise interessant.
Ich habe bis heute nicht verstanden, was da alles drauf steht. Es interessiert mich eigentlich auch nicht. Mich interessiert nur, ob der Espresso gut war, mich wach gehalten hat. Ich war geschockt über so viel Papier für so einen kleinen Kaffee. Über so viel Informationen für einen Hauch von Exotik.
Komplizierter Alltag
Dieser Zettel steht für mich exemplarisch für eine Beobachtung, die ich immer wieder mal mache: eine zunehmende Verkomplizierung und Bürokratisierung vieler alltäglicher Abläufe. Aus einfachsten Dingen werden komplexe Prozesse. Die Gründe sind sicherlich vorhanden. Im Fall meiner Espressorechnung geht es wahrscheinlich um juristische Absicherung, Vermeidung von Schwarzgeldzahlungen und Verhinderung von Geldwäsche. Ich sehe ein, dass es gut ist, dass Mechanismen dagegen gefunden werden.
Ich bin ein Fan von juristischer Verlässlichkeit. Aber was muss dafür wirklich sein und was ist übertrieben? Ich habe auch schon Kassenbons für einen Espresso mit weniger Zahlen und vier Zentimeter Länge bekommen. Ein Hauptgrund für die mangelnde Bereitschaft ausländischer Fachkräfte, nach Deutschland zu kommen ist neben der schlechten Digitalisierung und der schweren Sprache auch die überbordende Bürokratisierung.
Übertriebener Organisationszwang
In unseren Gemeinden hat das auch Auswirkungen. Früher konnte jemand sagen: „Nehmt euch ein Würstchen und Salat und spendet gerne dafür in die Box daneben.“ Heute ist das umsatzsteuerpflichtig. Du darfst die Spende nicht in Zusammenhang mit dem Würstchen nennen. Denn dann ist es keine Spende, sondern wie eine Bezahlung.
Früher hat mir die Person, die einen Gottesdienst leitet, kurz vorher einen Zettel gegeben. Auf dem stand handschriftlich der Ablauf. Heute muss ich manchmal drei Monate vorher Absprachen treffen, und die Programmentwürfe, die über die nächsten Wochen in einen Verteilerkreis von zehn bis 20 Personen geschickt werden, haben zehn Spalten. Sicher, wir machen so etwas beim FeG-Kongress auch. Wenn viele Menschen beteiligt sind, kann es helfen. Aber es macht die Sache auch sehr aufwändig. Und manchmal ist es übertrieben.
Einfach nur genießen
Und ob dadurch Gemeindeleben besser wird? Ob Gottesdienste deshalb Orte sind, wo Menschen Gott begegnen? Das würde ganz sicher auch keiner behaupten! Aber ich frage mich: Sind wir vielleicht manchmal so sehr mit diesen Dingen beschäftigt, dass sie uns gefangen nehmen und daran hindern, das ganz einfache, direkte, unvermittelte zu erleben? Sind wir so organisiert, dass wir keine Zeit füreinander, für Menschen und für ein aufrichtiges Interesse am Gegenüber haben?
Schließlich will ich lediglich einen Espresso genießen. Schließlich will ich lediglich Gott begegnen, in seinem Wort, in den Liedern, im Mahl, in der Gemeinschaft. Am Ende ist es einfach. Und wenn wir perfektionistisch und kleinkrämerisch mit den Umständen beschäftigt sind, dann verlieren wir manchmal den Kern aus dem Auge.
Gott und Mensch gehören zusammen
Ich weiß, es gibt für alles, auch für gute bürokratische Abläufe, gute Argumente. Und ich weiß auch, dass die, die nach Einfachheit rufen auch gerne eine Vereinfachung predigen, die niemals halten kann, was sie verspricht. Populisten tun das auch. Ich weiß auch, dass der Verzicht auf Programmabsprachen nicht automatisch Geisterfüllung und Geistleitung bedeutet.
Was ich meine ist die Übertreibung! Was ich meine ist die Vertreibung des Zentrums aus dem Zentrum. Was ich meine ist, dass wir manchmal vergessen, worum es geht: um Menschen, um Gott – und darum, dass die beiden zusammen gehören. Ach ja, und um den Espresso.
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