Die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele ist in aller Munde. Noch Tage später werden die von Thomas Jolly entworfenen Szenen interpretiert und kommentiert. Versteckte Anspielungen werden aufgespürt und das Gesamtwerk eingeordnet und bewertet.
Es war ohne Zweifel eine große, bunte, überbordende Inszenierung, die manchmal kaum Zeit zum Luftholen ließ. Die Darstellung war provokant, hat an einigen Stellen mit musikalischen und kulturellen Gegensätzen gespielt und die Athletinnen und Athleten, die dynamischen Aktivposten von Olympia, ein bisschen behäbig wirken lassen auf ihren Booten auf der Seine. Aber die können ja jetzt in ihren Wettbewerben noch nachziehen.
Die Herausforderung annehmen
Empörung hat die (ziemlich offensichtliche) Darstellung von Leonardo da Vincis „Das letzte Abendmahl“ durch eine Gruppe queerer Menschen, Dragqueens und Transpersonen ausgelöst. Nicht nur Christinnen und Christen, auch andere religiös Sensible fanden das herabwürdigend und beschämend – eine Verspottung des christlichen Glaubens. Dazu ist in kurzer Zeit viel gesagt und geschrieben worden. Warum ich diesen Text noch dazulege? Weil es ein Zeichen von Lebendigkeit ist! Wer auf Herausforderungen nicht reagiert, wird leicht für tot gehalten.
Also, bitte – ich habe überlegt: Was triggert mich an dieser Szene? Ist es, dass queere Menschen eine biblische Szene darstellen? Eigentlich nicht. Die Bibel, das Evangelium, der Glaube ist für niemanden ein exklusiver Besitz. Die Gute Nachricht ist eine öffentliche Botschaft, zu der sich jeder auch öffentlich verhalten kann – unabhängig von der persönlichen Verortung im Leben.
Gäste sein statt rabiate Übernahme
Was mich zum Widerspruch reizt, ist die Vereinnahmung des christlichen Glaubens, die hier stattfindet. Im Bild gesprochen: Die Darstellerinnen und Darsteller erscheinen nicht als Gäste am Tisch des letzten Abendmahls, sondern sie nehmen die Gastgeberrolle ein. Wofür dieses Ereignis – und das ist es wirklich, ein wichtiges historisches Ereignis, nicht nur ein Stück Kunstgeschichte! – eigentlich steht, ist hier vollkommen unwichtig. Es wird mit einer eigenen, gesellschaftspolitischen Agenda überzogen.
Das ist verstörend für die, die am Eigentlichen hängen. Stellen Sie sich vor, dass sie über Jahre oder Jahrzehnte einen lieb gewordenen Menschen in seinem Zuhause besuchen, dort gemeinsam Zeit verbringen, tiefe Verbundenheit erleben und jedes Mal wieder gestärkt nach Hause gehen. Und dann, mit einem Mal, haben andere Leute das Haus übernommen, haben den eigentlichen Gastgeber vor die Tür gesetzt und machen dort jetzt ihr eigenes Ding. So fühlt sich das für viele an. Auch Kunstschaffende brauchen ein Gespür dafür, dass Glaube mehr ist als eine Projektionsfläche für die Inszenierung aktueller Themen.
Glaube taugt nur als Kulisse
Wo wir gerade dabei sind, beim Eigentlichen meine ich: Es lässt sich feststellen, dass es für die meisten Europäerinnen und Europäer erstaunlich fern und fremd geworden ist, das Eigentliche. Das sieht man schon daran, dass die Darstellung von Jesus und seinen Aposteln fast nur eine Kulisse darstellte für die Figur eines fast nackten Dionysos (griech. Gott des Weines) im Vordergrund.
Unter den Motiven von Fest und Wein wurde da kräftig gemischt. Viele werden sich also fragen: Was sollte mich das letzte Abendmahl von Jesus und seinen Jüngern kümmern? Warum sollte ich mich überhaupt für den Glauben interessieren?
Mein persönlicher Dialog mit Jesus
Damit sind wir beim Eigentlichen. Die Feier des Abendmahls enthält so viel Tiefes und Wahres über unsere Existenz, dass es angestrahlt und nicht übermalt gehört. Ich stelle mir gerne diesen persönlichen Dialog mit Jesus vor, um dieses Fest besser zu verstehen:
- Ich: Liebt mich jemand da draußen, der mich wirklich kennt?
- Jesus: Ja, ich.
- Ich: Würdest du dein Leben für mich geben, obwohl ich es nicht verdient habe?
- Jesus: Ja, das habe ich getan, so wahr ich dieses Brot hier mit dir breche.
- Ich: Ist das eine einmalige Sache, oder bist du weiter für mich da?
- Jesus: Ich schließe einen festen Bund der Gemeinschaft mit dir. Für immer. Dafür steht der Wein.
- Ich: Es fällt mir trotzdem schwer, zu entscheiden, wer ich sein will. Bin ich, was ich fühle? Bin ich, was die anderen mir zuschreiben?
- Jesus: Noch wichtiger als das ist: Du gehörst zu mir. Iss und trink, dann fühlst du es.
Abendmahl feiern: Jesus ist präsent
Das ist, was ich feiere! Dieser Dialog könnte noch ein gutes Stück weitergehen. Nicht einmal die Hälfte von dem, was das Abendmahl bedeutet, ist bisher gesagt. Für mich geht das sehr tief. Und es ist lebendig, weil Jesus lebendig ist.
Die verschiedenen christlichen Konfessionen haben darum gerungen, wie man sich am besten vorstellt, dass Jesus selbst anwesend ist bei der Feier des Abendmahls. Mir ist hier nur wichtig: Er ist es! Und das unterscheidet diese Momente von einem Besuch im Theater oder einer Ausstellung kategorial.
Die Jesus-Feier stiftet Identität
Freie evangelische Gemeinden hatten in ihrem Ursprung eine besondere Bindung an das Abendmahl. Es wurde als der Ort im gemeindlichen Leben angesehen, wo sich absolut verdichtet ereignet, was Glaube und Gemeinde ist.
Das ist mehr als ein theologisches Konstrukt. Es ist der Moment, in dem wir Jesus als Gastgeber einer neuen Welt erleben. Und da ist wirklich jeder und jede willkommen, nicht nur, wer schneller, höher und weiter kommt als die anderen.
Mit olympischen Grüßen nach Paris!
Henrik Otto | Präses des Bundes Freier evangelischer Gemeinden | praeses.feg.de
Download
Fakten Bund FeG
Der Bund Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland KdöR (FeG) wurde 1874 gegründet und besteht aus ca. 500 selbstständigen Ortsgemeinden mit insgesamt 40 904 Mitgliedern. Er ist mit der Evangelischen Allianz in Deutschland verbunden und Mitglied der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF) sowie der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK). Sitz der Bundesgeschäftsstelle ist Witten. Präses ist seit 2024 Henrik Otto.
Weiterführende Links
- FeG Vision | vision.feg.de
- Webseite Bund FeG | feg.de
- Fakten zu Bund FeG | fakten.feg.de
CHRISTSEIN HEUTE | Die FeG-Zeitschrift
Lesen und erleben, was FeG bewegt
- FEG-VISION | Gemeinden, die sich anfühlen wie ein Fest – Was heißt das für die Ortsgemeinde?
- LEITEN | Gemeindeleitung – Leidenschaft und Herausforderung
- LEARNINGS | „Das haben wir verstanden“ – Gemeinden teilen ihre Erfahrungen
- GOTTESDIENST AUFGEWECKT | Praktische Impulse aus der Gottesdienstwerkstatt der FeG Theologischen Hochschule
- GLAUBEN | Gemeinde unterm Röntgenschirm –die Sendschreiben der Offenbarung
- GEMEINDELEBEN | Innovative Ideen, die Gemeinden weiterbringen
Auch noch interessant
Pressekontakt
Nathanael Ullmann | Referent für Medien und Öffentlichkeitsarbeit
- Telefon: 02302 937-32 | Fax: 02302 937-99
- presse@feg.de | feg.de
Artur Wiebe | Referent für Medien und Öffentlichkeitsarbeit | Pressesprecher
- Telefon: 02302 937-33 | Fax: 02302 937-99
- presse@feg.de | feg.de