Wir hoffen nicht aus uns, sondern aus dem, was Jesus bereits in uns hineingelegt hat
Marina Ruf nimmt uns mit hinein in das Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos, in dem trotz schwieriger Umstände ein Stück Hoffnung auftaucht. Die 23-jährige Studentin der Sozialarbeit/Sozialpädagogik stellt sich mit ihrem Text der Frage, was es bedeutet, in schwierigen Zeiten hoffnungsvoll zu sein.
Lass mich dir eine Geschichte erzählen, die mich vor einiger Zeit hoffnungsvoll werden ließ: Stell dir einen herrlichen Septembertag vor. Die Sonne scheint angenehm warm auf die Gesichter. Von überall her sind Stimmen und Musik zu hören. Der Wind weht sachte durch die umstehenden Bäume. Alles hier scheint okay, nur ein bisschen chaotisch, bis man genauer hinsieht.
Mitten im Elend Um Hoffnung ringen
Ich bin auf dem Weg zu dir. Hoch den steilen Berg, der im Winter immer so rutschig gewesen war. Ich schaue auf meine Füße, wie sie sich über den grauen Stein bewegen. Dann sehe ich auf. In die vielen Gesichter, die mir hier begegnen. Gesichter von Menschen, die mir fremd sind und doch ganz vertraut. Ich habe einen klaren Auftrag. Dir einen neuen Ort zum Wohnen anzubieten. Ich soll dich an deinem Namen erkennen und vor allem daran, dass du schwanger bist. Also biege ich um die Ecke, laufe an den versifften Toiletten vorbei und frage nach dir. Deine Nachbarinnen weisen mir freundlich den Weg. Sie sitzen heute in der Sonne und reden, essen eine Kleinigkeit und trinken Chai. Ich treffe dich in deinem Zelt, deinem jetzigen Zuhause.
Ich sage „Hallo“ und frage nach deinem Namen. Er stimmt mit dem Namen auf meinem Zettel überein. Doch ich stutze, denn du siehst nicht schwanger aus. Also frage ich nach. In jeder anderen Situation hätte ich das nicht einfach gemacht. Aber hier ist es die Voraussetzung, um dir ein neues Zuhause in einem Container anbieten zu können. Es warten noch hunderte andere Menschen darauf, einen besseren Ort zum Schlafen zu bekommen. Die Realität, die dir und mir nur allzu bewusst ist. Du sagst, du hättest dein Baby verloren. Herzprobleme und der ganze Stress der momentanen Lebenssituation hätten dir dein Baby geraubt. Ein Teil von dir ist mit diesem Baby gestorben, das spüre ich ganz fest. Deine Geschichte berührt auch mein Herz tief.
Da sein und Hoffnung erahnen
Als ich so mit dir dasitze und Chai trinke aus einer Tasse, die du mit dem bisschen Wasser, das dir zur Verfügung steht, extra für mich sauber gemacht hast, da wird mir warm ums Herz. Eine schwere Art von warm. Eigentlich eher glühend heiß. Entsetzt über die Ungerechtigkeit, die du erlebst. Ich denke mir, wie schlimm sich dein Schmerz wohl anfühlen muss. Das Baby genommen zu bekommen, das du dir so sehr gewünscht hast, auf das du sehnsüchtig gehofft hast. Und wie kann ich dir jetzt dabei helfen? Wie kann ich dir Beistand sein?
Gleichzeitig regt sich in mir noch ein weiteres Gefühl. Was für eine Ehre es doch für mich ist, mit dir hier zu sitzen und einfach zu sein. Nach einem längeren Gespräch, sage ich dir, dass es vielleicht eine Idee wäre, dem Baby einen Namen zu geben. Meine eigene familiäre Erfahrung hat mir gezeigt, dass das Heilung bringen kann. Ich soll mir einen Namen überlegen, sagst du. Also überlege ich und sage laut „Farah“, da dies der einzige persische Name ist, der mir auf die Schnelle einfällt. Und dann siehst du mich durchdringend an. Traurig zwar, aber irgendwie ergreifend hoffnungsvoll. Du bist überrascht, ja sogar von einem Hauch Leichtigkeit erfüllt. Du strahlst mich an, als dir bewusst wird, wie schön du diesen Namen findest und dankst mir. Erst später erfahre ich, dass der Name „Farah“ übersetzt „Freude“ bedeutet. Und zwar nicht irgendeine Freude, sondern göttliche Freude. So wie „joy“ im Englischen.
Als wir uns wiedersehen, teilen wir die innigste Umarmung überhaupt, denn diese übernatürliche Freude, die nur von Gott kommen kann, hat unserer beider Herzen erfüllt. Sie hat uns Hoffnung gebracht, in einer Zeit, in der Hoffnung fast ungreifbar war, weil der Schmerz so übermächtig schien.
Ich denke noch heute oft an dich. Ob unser überaus gnädiger Vater im Himmel dir nicht doch noch ein lebendiges Kind geschenkt hat oder ob sich deine Lebenshoffnung in anderem erfüllt.
Hoffnung verbreiten wollen
Langsam darfst du wieder zurückkommen ins Hier und Jetzt. Na, habe ich dich abgeholt? Kennst du diese Momente? Die, die uns einfach überrumpeln? Die, mit denen wir nicht rechnen? Die uns mit tiefer Trauer erfüllen? Die Momente, die von Überforderung geprägt sind und vielleicht auch von Hoffnungslosigkeit?
Darf ich nur ein paar aktuelle nennen? Was soll man Gutes finden in der Ahrtal-Flut, im Krieg in der Ukraine, in Brandstiftung, Ermordungen oder Verkehrsunfällen, in der Klimakrise oder der Inflation? Was soll man Gutes finden im Tod von Angehörigen, in Fehlgeburten, in finanziellen Krisen, in Reizüberflutung und Stress?
Diese Hilflosigkeit überkommt uns dann. Ich weiß, dass es vielen Menschen momentan so geht. Dass die Sorgen und die Hilflosigkeit angesichts der Ereignisse in der Welt wie eine große schwarze Wolke über ihnen hängen, sei es persönlich, regional oder global. Fühlst du das? Ich schließe mich da auf jeden Fall mit ein. Wie oft lege ich abends meinen Kopf auf das Kissen und frage mich, was eigentlich los ist mit unserer gebrochenen Welt. Ich starre auf mein Handy und werde überflutet von Nachrichten aller Art und dann lege ich es weg und weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht.
Oft frage ich mich da, wie ich in diesem Gefühlschaos, in diesem Wunsch nach mehr Ordnung, in der Hilflosigkeit in mir, noch hoffnungsvoll sein kann. Denn eigentlich will ich strotzen vor Hoffnung. Eigentlich will ich ein Vorbild sein für andere. Ich, Marina, die junge Christin, die immer die passende Herzenshaltung parat hat. Die in jeder Lebenslage, die Hoffnung sehen kann, nach der sich ihr Herz so sehnt, ohne dabei selbst die Hoffnung zu verlieren. Doch wie schaffe ich das? Wie schaffen wir das?
Hoffnung ist in uns hineingelegt
Ein Blick in die Bibel bietet einige Ansatzpunkte. In Römer 12,12 heißt es dazu beispielsweise „Freut euch, weil ihr Hoffnung habt, bleibt standhaft in Bedrängnis, seid andauernd im Gebet.“ (BIBEL.HEUTE | NBH | CV Dillenburg). Ein Vers, der sicherlich einigen von uns bekannt ist. Vielleicht haben wir ihn schon zu oft gelesen und überlesen ihn jetzt, vielleicht ist er uns aber auch neu.
Wir freuen uns normalerweise über Geschenke, oder? Paulus schreibt hier, dass wir aufgefordert sind, uns über die Hoffnung zu freuen, die Gott uns schenkt. Sie ist ein Geschenk von ihm an uns. Hast du dich schon mal bewusst über die Hoffnung gefreut, die Gott in dich hineingelegt hat, anstatt dafür zu kämpfen, in schweren Momenten hoffnungsvoller zu sein? Weiter heißt es „bleibt standhaft in Bedrängnis“. Gibt die Hoffnung uns nicht die Kraft dazu, standhaft zu bleiben? Und weiter „seid andauernd im Gebet“. Ist Gebet, sei es ein kurzes Stoßgebet, denn nicht ein Ausdruck unserer Hoffnung oder zumindest ein Zeichen, dass wir der Hilflosigkeit in uns trotzen, weil wir sie abgeben und in fähige Gotteshände legen?
Auch wenn wir es oft nicht so wahrhaben wollen: Diese hilflosen, schweren und verletzenden Momente, sind meist die, in denen wir uns menschlich fühlen. Die Momente von tiefem „Berührt-sein“. Die Momente, die uns anrühren und aufwühlen zugleich. Die Momente, die wir so nicht stehenlassen können oder wollen, und vielleicht auch nicht sollten.
In einer Andacht hörte ich neulich, dass Hoffnung nicht bedeutet, dass wir uns mit der Situation im Jetzt zufriedengeben. Wenn etwas schwer ist, dann bleibt es das. Hoffen ist auch nicht ausschließlich auf das Morgen bezogen, denn dann würden wir sie in eine Box packen, in die sie nicht gehört. Wir würde sie beschränken, wobei sie grenzenlos ist. Hoffnung ist alles, was dazwischen liegt. Hoffnung ist Gefühle zulassen und sich von ihnen dennoch nicht unterkriegen lassen. Hoffnung ist das Ein-Satz-Gebet, was gen Himmel geht. Hoffnung ist das den-Menschen-vor-mir-sehen. Hoffnung ist einander bewusst zulächeln, auch wenn man sich nicht danach fühlt. Hoffnung ist sich miteinander freuen über die kleinsten Schritte in die richtige Richtung. Hoffnung ist Stille aushalten. Hoffnung ist da sein. Hoffnung ist ehrlich, sie ist wandelbar. Sie sieht bei jedem Menschen anders aus. Doch sie ist standhaft. Sie kommt nicht aus uns. Das muss sie nicht, wir müssen uns also nicht abmühen. Und das soll sie nicht, denn sie ist Gottes Gabe an uns. Und unser Herr liebt es, uns zu beschenken. Hoffnung ist Gnade. Sie ist eines der größten Geschenke, das Gott uns macht. Was wäre diese Welt ohne dieses Geschenk?
Wir dürfen uns nicht damit zufriedengeben, das jetzt hoffnungslos zu akzeptieren. Und wir dürfen uns nicht damit zufriedengeben, auf bessere Zeiten zu hoffen. Dazu ist die Hoffnung, die in Jesus ist, in seiner Rettung für uns, viel zu lebendig. Jesus starb für uns. Blutig, düster und verlassen war es dort. Er verlor alles, damit wir alles haben. Das ist unsere Rettung. Darin liegt unsere Hoffnung. Sie war schon immer und sie wird für immer sein, denn da wo unser Herr ist, da ist seine Hoffnung. Wenn wir auf sie achten, können wir sie gar nicht ignorieren.
Unser Herr wirkt in uns. Darauf dürfen wir vertrauen. Und wenn diese Hoffnung, die er in einem herzzerreißenden Moment schenkt, nur aus einem winzigen Funken besteht, dann ist dieser Funken genug. Hoffnung ist veranlagt in uns, also reicht ein kleiner Funken. Was wir aus unserer in uns hineingelegten, bereits verankerten Hoffnung machen, verändert das Jetzt und damit auch das Morgen. Frei nach dem Motto: „Was du heute kannst hoffen, das verschiebe nicht auf morgen, denn das Morgen wird dir danken, dass du heute schon gehofft hast.“
Hoffnung schenkt Zukunft
So wie bei der Frau in der Geschichte vom Anfang. Ich durfte für sie hoffen und Gott hat diese Hoffnung in Freude verwandelt. Die Kraft, mit ihr den Heilungsprozess anzustoßen und ihr darin Hoffnung zu sein, kam nicht aus mir. Sie kam von meinem himmlischen Papa, der immer genau weiß, was ich brauche, bevor ich es ihm sagen kann.
Ich wünsche uns, dass die göttliche Hoffnung, die unseren Verstand übersteigt, die ein Gnadengeschenk ist, sich fest in unseren Herzen verpflanzt und in uns Früchte trägt
Marina Ruf
Studentin für Sozialarbeit/Sozialpädagogik in Düsseldorf
Teil des Arbeitskreises FeG Auslandshilfe
auslandshilfe.feg.de
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