In seinen PERSPEKTIVEN greift Ansgar Hörsting, Präses des Bundes Freier evangelischer Gemeinden, einen Aspekt aus dem Leben oder ein Thema aus der öffentlichen Diskussion auf.
Mich hat schon immer das Verhältnis von qualitativ hochwertiger Arbeit einerseits und einem erwartungsvollen Gebet andererseits beschäftigt. Die Benediktiner brachten es auf die berühmte Formel „ora et labora“, bete und arbeite. Ja, wir Menschen sind geschaffen und in der Lage, die Qualität der Arbeit zu verbessern und durch kluges Handeln gute Ergebnisse hervorzubringen. Das gilt für den Bauern genauso wie für die Politikerin oder den Pastor.
Wir sind zugleich eingeladen und aufgefordert zu beten und allen Segen von Gott zu erwarten: die Frucht des Ackers, den Erfolg des politischen Handelns und die Wirkung der Predigt. All das bleibt unverfügbar. Ich lese: „Liebe nicht den Schlaf, damit du nicht verarmst …“ (Sprüche 20,13 | Elberfelder Bibel (ELB) | SCM R.Brockhaus 2006), aber auch „Vergebens ist es für euch, dass ihr früh aufsteht, euch spät niedersetzt, das Brot der Mühsal esst. So viel gibt er seinen Geliebten im Schlaf“ (Psalm 127,2 | ELB).
Spannungen wahrnehmen
Beides stimmt. Faulheit macht arm. Überspanntes Arbeiten ist aber auch vergeblich. Arbeit mit einem vertrauensvollen Herzen ist die Antwort. Aber gelingt uns das? Und woher weiß ich, was dran ist? Wir leben in solchen Spannungsfeldern. Und es gibt keine Formel, die diese Spannung auflöst. Manche sagen zwar: Bete, als ob alles Arbeiten nichts nützt, Arbeite, als ob alles Beten nichts nützt. Aber das klingt nicht nur paradox, es ist paradox.
Ähnliche Spannungsfelder gibt es öfters. Das hervorstechendste begegnet uns in Philipper 2. Dort heißt es im Vers 12: „…. bewirkt euer Heil mit Furcht und Zittern!“ und direkt danach im Vers 13: „Gott ist es, der in euch wirkt, sowohl das Wollen aus auch das Wirken zu seinem Wohlgefallen“. Das heißt: Gott wirkt, aber wir auch. Das hören wir nicht gerne, aber auch in den Evangelien gibt es immer beides: Die Zusage des Heils und der Anspruch Gottes auf unser Leben. In beide Richtungen kann man diese Spannung auflösen, so, als gebe es keinen Anspruch und so, als gebe es keinen Zuspruch Gottes.
Oder: Das Reich Gottes ist schon jetzt da (Lukas 17,21) und es ist noch nicht da (Matthäus 6,10). Gott regiert in allem und über allem (Offenbarung 1,5), aber das Böse hat noch Einfluss (Epheser 6,11-13). Gott handelt souverän und zugleich hat der Mensch in seiner Freiheit die Möglichkeit, sich zu entscheiden. Der Mensch ist von Gott berufen und ergriffen und er ist verantwortlich und kann Entscheidungen treffen. Im Lauf der Kirchengeschichte sind weitere Spannungen beschrieben worden: Jesus Christus ist wahrer Mensch und wahrer Gott. Die Bibel ist offenbarendes Wort Gottes und es ist Menschenwort („Gottes Wort im Menschenwort“). Wir haben Verheißungen, aber wir leiden manchmal darunter, ihre Erfüllung nicht erkennen zu können oder zu erleben.
In Spannungen leben lernen
Wie können wir damit umgehen?
- Halte dich an Jesus Christus. Er löst nicht alle Spannungen auf, aber in ihm laufen alle Linien, die uns so widersprüchlich erscheinen, zusammen. Er trägt dich.
- Akzeptiere deine Menschlichkeit und Grenzen. Das entlastet dich, weil du nicht lösen musst, was unlösbar erscheint.
- Entdecke die Vielfalt von Erkenntnissen und Wegen. Menschen können in unterschiedlichen Situationen Unterschiedliches brauchen.
- Widerstehe der Versuchung, die Spannung in eine Richtung aufzulösen. Denn dann wird es schief.
Sicherlich wird man auch manche Spannung auflösen können und müssen. Oder manch eine Frage löst sich im Laufe des Lebens und bekommt eine Antwort. Wogegen ich mich früher auflehnte, kann später für mich zu einem Segen werden. Dennoch finde ich es wichtig, in Spannungen leben zu lernen und sich ehrlich zu machen. Manches können wir nicht auflösen. Es hilft mir, mich in meinen menschlichen Grenzen zu begnügen. Es mag helfen, dass wir einander zugestehen, nicht auf alles eine Antwort zu haben, dass der Glaube nicht ein flaches System von Richtigkeiten ist. Sondern dass wir in diesem manchmal verwirrenden Leben einander helfen, um im Glauben zu bleiben. Und wenn wir dann Gott in Christus begegnen und im Vertrauen auf ihn weiterleben, weitergehen und weiterfeiern.
Ich bin der Überzeugung, dass wir gut daran tun, das zu lernen. Es wird uns als Einzelpersonen helfen, es wird uns als Bund FeG helfen. Spannungen gehören dazu.
ANSGAR HÖRSTING | Präses Bund FeG | praeses.feg.de
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