FeG-Präses | Gedanken und Impulse
Bevor ich es vergesse
Wir leben in unruhigen Zeiten. Das gilt für die großen, globalen Zusammenhänge, aber auch für unser tägliches Leben. So manche Entscheidung treffen wir, ohne mit Sicherheit sagen zu können, wohin sie uns führt. So mussten wir vor wenigen Wochen den FeG-Kongress „Ein Fest“ völlig umplanen – ein emotionales Auf und Ab. Vielen Gemeinden geht es ganz genauso, dass sie Gewohntes infrage stellen und Neues probieren müssen und auch wollen. Das bringt Unruhe.
In der Unruhe liegt die Kraft
Ich finde es spannend, zu beobachten, dass sich die frühe Jesus-Bewegung auch nicht gerade in aller Ruhe entwickelte. Auch sie verlief nicht linear. Hier ein paar Schlaglichter:
Die Taufe Jesu durch Johannes markiert den Beginn seines öffentlichen Wirkens. Bei vielen ist die Neugier geweckt. Sie kommen zu Jesus und wollen ihn kennenlernen. Manche bringen gleich die Nächsten mit, so wie Andreas den Simon oder Philippus den Nathanael. Sie haben so etwas wie einen messianischen Moment mit Jesus und schließen sich ihm an. Diese frühen Jüngerinnen und Jünger wissen noch wenig über seine Sendung, wer er ist und wozu er gekommen ist. Ihr Glaube ist noch recht unspezifisch. Besonders rund um das erste Passahfest, bei dem Jesus durch seine Wundertaten auffällt, kommen viele dazu. Interessant ist die Bemerkung, dass Jesus sich ihnen aber nicht anvertraute (Johannes 2,24). Das war offensichtlich eine ansehnliche Gruppe, aber noch keine enge Gemeinschaft.
Bei einigen spricht Jesus eine persönliche Berufung aus. Während im Gesamtbild viel Kommen und Gehen ist, beruft er sie zu größerer Hingabe. Er ergreift die Initiative und bildet den Zwölferkreis. Das war nicht gerade die übliche Vorgehensweise eines Rabbis. Man konnte sich darum bewerben, ein Schüler zu werden. Dass ein bekannter Lehrer aber mögliche Jünger aufsuchte, um sie in die Nachfolge einzuladen, war neu. Und Jesus überschreitet weitere religiöse und soziale Grenzen: Er beruft einen Zeloten, also ein Mitglied einer anderen religiösen Fraktion. Er geht auf einen Steuereintreiber zu, genauso wie er auch sonst Menschen mit zweifelhaftem Ruf nicht scheute. Im erweiterten Freundes- und Unterstützerkreis finden sich zudem auch zahlreiche Frauen. Das war für die damaligen Verhältnisse eine ziemlich bunte Truppe.
NACHFOLGE KOSTET ETWAS
Etliche lassen sich einladen, aber auch nicht alle. Es gibt auch den, der familiäre Verpflichtungen vorzieht, oder einen anderen, da ist es sein Reichtum. Es wird immer klarer, worum es geht: um eine exklusive Bindung an Jesus Christus. Eine Jüngerin oder ein Jünger zu sein bedeutet, an Jesus als den Gesandten Gottes zu glauben und in einer engen Bindung an ihn zu leben. Neben ihm kann es keine andere lebensbestimmenden Bindung mit dem gleichen Grad an Bedeutung geben. Das meint Jesus, wenn er dazu auffordert, die Kosten der Nachfolge abzuwägen.
Und dann die Menge. Sie flutet an und ebbt wieder ab. Zwischen „Hosianna!“ und „Kreuzige ihn!“ wogt es hin und her. In Johannes 6, der sogenannten Brot-Rede, ist diese Differenzierung mit Händen zu greifen: Jesus begeistert die Massen, viele folgen ihm und machen unglaubliche Erfahrungen. Aber nicht alle Erwartungen, die dort entstehen, passen zur Sendung Jesu. Nicht wenige haben ihre eigene Agenda mit ihm und wollen ihn zum König machen. Er wäre endlich ein Herrscher, der mächtig genug wäre, sie alle frei und satt zu machen!
Aber Jesus stößt sie vor den Kopf. Als er erklärt, worum es ihm wirklich geht, gehen viele weg. Man merkt, er tut das bewusst. Er lässt sich nicht vereinnahmen. Die Vision vom Reich Gottes, in dem es nicht ums Herrschen geht, muss nachgeschärft werden: Der Messias ist ein geistlicher, kein politischer Befreier. Er wird sein Leben dafür geben, dass Menschen versöhnt werden mit Gott. Dafür ist er gekommen. Und er setzt alles auf eine Karte, indem er auch seinen engsten Kreis fragt, ob sie unter diesen Bedingungen bleiben wollen. Unter diesen druckvollen Umständen kommt es zu einem wunderschönen Bekenntnis (Matthäus 16,16): Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes! Das ist Differenzierung: Viele folgen ihm nicht mehr. Aber wer bleibt, folgt dem tatsächlichen Christus, nicht seinem Christus-Bild. Was für ein Auf und Ab!
AM RANDE DES SCHEITERNS
Der emotionale und heilsgeschichtliche Höhepunkt aber ist noch nicht erreicht. Er folgt an Karfreitag und Ostern. Am Tag der Kreuzigung sieht es so aus, als sei alles vorbei. Bis auf zwei Personen, Maria und Johannes, haben sich die Jünger von Jesus zurückgezogen. Was für eine Bilanz! Und Jesus? Er verbindet die letzten beiden, die noch übrig sind: Er ist nun dein Sohn – sie ist nun deine Mutter. Im Vergleich zu den großartigen Momenten wie die Speisung der 5000 oder der Einzug nach Jerusalem sieht das nach purem Scheitern aus: Die Bewegung ist zerstreut, der Einfluss minimal. Ohne Ostern bleiben nur Restbestände einer Bewegung, die bald vergangen sein wird. Es gibt keine Lehrtradition, keine Schule, keine Schriften, keine Gemeinschaft mit klaren Lebensregeln. Es war ja alles auf Jesus konzentriert! Er hat die Menschen nicht zu einer Lehre, sondern zu sich gerufen. Ohne Ostern ist das alles vorbei.
Ist es aber nicht … Denn der Vater im Himmel ist in der Lage, aus dem Schlimmsten das Beste zu machen. Menschen haben den Sohn Gottes getötet. Das ist das Schlimmste. Der Vater aber lässt daraus Vergebung und ewiges Leben erwachsen. Das ist das Beste! Mit dem Ostermorgen kommt der Durchbruch. Und aus den Restbeständen einer Bewegung wird die Gemeinde Jesu, die die damalige Welt beinahe im Sturm erobert.
GLAUBEN MIT HÖHEN UND TIEFEN
Was für eine Geschichte. Was für Höhen und was für Tiefen! So ist es am Anfang schon gewesen. Ein ruhiges Leben gehörte nie zu den Zusagen, die Jesus seinen Nachfolgern geben konnte und wollte. Sie gehören zu einer Bewegung, die mächtig anfluten und bestürzend abebben kann, die in die Breite und in die Tiefe muss, die Menschen begeistert und Menschen verprellt, die gelebtes Vertrauen für konsequentes Christsein hält und die nur eine lebensentscheidende Bindung kennt. Das ist die Bewegung des Vaters im Himmel, der aus dem Schlimmsten das Beste machen kann.
Henrik Otto | Präses des Bundes Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland KdöR | praeses.feg.de
Henrik Otto | Zur Person
Henrik Otto wurde am 11. November 1976 in Ellwangen (Jagst) geboren. Nach seinem Studium am Theologischen Seminar Ewersbach (heute Theologische Hochschule Ewersbach) war er von 2002 bis 2013 Pastor der FeG Füssen und der FeG Schongau, von 2013 bis 2016 Pastor der FeG Siegen-Mitte. Seit 2016 ist er FeG-Bundessekretär für die Region Süd.
Am 17. Juni 2023 wurde Henrik vom Bundestag des Bundes Freier evangelischer Gemeinden in Siegen-Geisweid zum Präses gewählt und hat das Amt im Januar 2024 angetreten. Henrik Otto ist verheiratet mit Evelyne. Das Ehepaar hat vier Söhne und wohnt in Rieden (Allgäu).
Anmerkungen | Downloads
- Dieser Text ist in der FeG-Zeitschrift CHRISTSEIN HEUTE 03/2024 erschienen kann frei und ungekürzt für die Medien der FeG-Gemeinden vor Ort übernommen werden.
- Weitere Verwendung darüber hinaus bitte erfragen: presse@feg.de
- Download Foto Henrik Otto | https://link.feg.de/fotoshenrikotto
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