„Christi Himmelfahrt erleben wir am besten wie die Jünger – im Freien!“
Joshua Wenger | Student der Theologischen Hochschule Ewersbach | th-ewersbach.de
Raus ins Grüne
Wie wir Christi Himmelfahrt feiern können – aus der Gottesdienstwerkstatt der Theologischen Hochschule Ewersbach
Ende der Siebzigerjahre besuchte der sowjetische Partei- und Staatschef Leonid Breschnew die Freie und Hansestadt Hamburg. Bundeskanzler Helmut Schmidt hatte den mächtigsten Mann Osteuropas in seine Mutterstadt eingeladen. Das Treffen fand Anfang Mai am Himmelfahrtstag statt. Schmidt, so wird erzählt, begrüßte Breschnew mit den Worten: „Ich freue mich, Sie am Himmelfahrtstag hier willkommen zu heißen“. Der sowjetische Dolmetscher stutzte. Er kannte den Feiertag nicht und wusste nicht, wie man das nun übersetzen sollte. Doch er fand eine Lösung und erklärte es Breschnew so: „Sehr geehrter Herr Generalsekretär, ich freue mich, Sie heute am ‚Tag der Luftwaffe‘ begrüßen zu dürfen.“
Himmelfahrt – Fest im Verklingen?
Diese nette Anekdote drückt ein wenig die Verlegenheit aus, die Zeitgenossen heute bei Christi Himmelfahrt empfinden. Man weiß schlicht nicht mehr, um was es da eigentlich geht. Und auch manche Christen und Christinnen fremdeln mit dem Fest. Nicht zuletzt deshalb ist Christi Himmelfahrt wohl das Christusfest, welches man oft einfach ausfallen lässt oder es zumindest auf den nächsten Sonntag verschiebt. Der Saarbrückener Theologe Joachim Conrad nennt es daraum auch ein „Fest im Verklingen“.
Ich denke, es gibt dennoch ausgesprochen gute Gründe, dieses Fest vierzig Tage nach Ostern und zehn Tage vor Pfingsten zu feiern. Drei möchte ich nennen: Einmal ist Christi Himmelsfahrt nach Ostern, Weihnachten und Pfingsten eines der ältesten und vornehmsten Christusfeste. Die Aufnahme von Jesus in den Himmel ist biblisch bestens bezeugt (Lukas 24,50-53; Apostelgeschichte 1,9-12; Epheser 1,20-23). Auch im Alten Testament finden sich Texte (Psalm 47) und Geschehnisse (2. Könige 2), die dieses Geschehen andeuten sowie Weissagungen, die es vorhersagen (Daniel 7). Sodann sind es auch die dahinterliegenden Motive, die für den Glauben unverzichtbar sind.
Jesus Christus als König feiern
Zum einen bringt die Himmmelfahrt die Herrschaft zum Ausdruck, die Christus nun innehat. Wenn Weihnachten und Karfreitag die Menschlichkeit Jesu betonen, so unterstreichen Ostern und Himmelfahrt seine Macht und Göttlichkeit. „Jesus Christus herrscht als König“ beginnt das bekannte Himmelfahrtslied der Württemberger Pietisten Philipp Friedrich Hiller (1699–1769). Nicht, dass man diese Herrschaft überall schon sähe, aber sie ist im Kommen und wir sind ihre Zeugen und Zeuginnen.
Ein zweites Motiv ist der „offene Himmel“. Wo Jesus heute schon ist, dürfen wir bald auch einmal sein. So kommt es auch im Wochenspruch zum Ausdruck: „Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen“ (Johannes 12,32 | Luther 2017 (LU), © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft). Es mag Zeiten gegeben haben, wo zu rasch auf das Jenseits vertröstet wurde. Doch die Lage ist heute eine vollkommen andere. Die meisten Menschen kennen nur noch eine Konzentration auf das Diesseits. Christi Himmelfahrt eröffnet somit eine neue Perspektive. Der Leipziger Theologe Peter Zimmerling meint treffend: „Bleibt mir dem Himmel treu, meine Brüder, möchte man in Umkehrung des berühmten Satzes von Friedrich Nietzsche sagen. Nur wer von Gottes Ewigkeit her und auf sie hin lebt, gewinnt den Mut, im persönlichen und gesellschaftlichen Alltag der Welt das Notwendige zu tun.“ Himmelfahrt erinnert daran, dass Christus uns vorangegangen ist, um einen Platz im Himmel für uns vorzubereiten (Johannes 14,2).
Der dritte Grund für die Feier dieses Festes bewegt sich eher auf der menschlichen Ebene. Ich meine den Umstand, dass der Gottesdienst an diesem Tag seit jeher nicht in gemeindlichen Räumen, sondern im Freien gefeiert wird. So wie es die Jünger und Jüngerinnen erlebten, so mag es auch heute sein. Im Freien soll die Himmelfahrt des Herrn gefeiert werden. Und so kann ein Himmelfahrtsgottesdienst zu einer dichten Erfahrung werden. Miteinander empfinden wir die innige Gemeinschaft im städtischen Park oder im benachbarten Wald. Und gleichzeitig wird der Gottesdienst für viele Vorbeigehende ein beredtes Zeugnis für Jesus Christus. Das gemeinsame Singen, eine relevante Predigt, das anschließend geteilte Mittagessen – das sind starke Zeichen für Menschen außerhalb von Gemeinde und Glauben.
Gottesdienst für alle Generationen
Natürlich: Solche Freiluftgottesdienste müssen gut geplant sein, manchmal ist auch ein Antrag beim Ordnungsamt notwendig. Und natürlich sollte auch der Fall bedacht werden, wenn es regnen sollte. Dank moderner Technik lässt sich manches heute vereinfachen. Statt Liedblättern kann ein QR-Code für alle an zentraler Stelle aufgehängt werden, der die Smartphones zu den zu singenden Liedern führt. Und manchmal lassen sich auch Vereinbarungen mit Inhabern von Cafés treffen, sodass man deren Stühle nutzen kann, um sich dann im Gegenzug dort zu verköstigen.
Eine Überlegung zum Schluss: Viele Zeitgnossen sprechen heute nicht mehr von „Christi Himmelfahrt“, sondern lediglich vom „Vatertag“. Als mich letztes Jahr ein Nachbar mit einem „Frohen Vatertag“ grüßte und ich ebenso ein „Frohes Himmelfahrtsfest“ wünschte, sah er mich ganz ungläubig an. Aber mit etwas Weite lässt sich auch das Christusfest als „Vatertag“ verstehen. Schließlich geht es ja um Rückkehr des Sohnes zu seinem himmlischen Vater. Und was liegt dann nicht näher, dies auch in einem Gottesdienst für alle Generationen deutlich werden zu lassen? So werden Himmelfahrtsgottesdienste zu unvergesslichen Erlebnissen.
Dr. Arndt E. Schnepper | Professor für Praktische Theologie an der Theologischen Hochschule Ewersbach | th-ewersbach.de
Dieser Artikel erschien zuerst in der FeG-Zeitschrift Christsein Heute.
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