Gefährlich beten
Bibelarbeit zu dem überraschenden Gemeindegebet | Apostelgeschichte 4,24–30
Dagmar Hees sehnt sich danach, dass wir uns mehr trauen, gefährliche Gebet zu beten, die Gottes Herzensanliegen zum Inhalt haben. Anhand des ersten christlichen Gemeindegebetes hinterfragt sie unser oft kraftloses Gebetsleben und macht Lust auf eine erneuerte und spannende Gebetspraxis.
Sie wissen sehr genau, dass sie unter Beobachtung stehen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann der Zugriff erfolgt. Trotzdem begeben sie sich an ihren gewohnten Treffpunkt und vermeiden auch nicht das Aufsehen, das sie mit ihren Reden und Handlungen auf sich ziehen. Sie wollen sich nicht einschüchtern lassen.
Wunder erzeugt Widerstand
Diesmal ist es tatsächlich so weit: Nach einer aufsehenerregenden Wunderheilung greifen die Häscher am Abend zu und verhaften sie. Nach einer Nacht im Gefängnis müssen sie sich vor Gericht verantworten. Die Richter sind hin- und hergerissen. Sie würden die beiden am liebsten dauerhaft aus dem Verkehr ziehen, aber sie fürchten den Druck der Straße: Die ganze Gruppierung genießt ein hohes Ansehen in der Bevölkerung. Und es ist ihnen auch nicht wirklich etwas nachzuweisen.
Trotzdem müssen sie zum Schweigen gebracht werden. Und so werden die beiden nach intensiven Beratungen zwar freigelassen, allerdings unter Androhung härtester Strafen sollten sie weiterhin in der Öffentlichkeit auftreten und ihre Überzeugungen vertreten.
Gemeinsam klagen und beten
Sobald die Apostel Petrus und Johannes wieder auf freiem Fuß sind, suchen sie ihre Mitchristen auf und berichteten ihnen, was passiert ist. Daraufhin fängt die Versammlung einmütig an, zu beten:
„Du großer Herrscher! Du bist es, der den Himmel, die Erde und das Meer geschaffen hat, ‚das ganze Universum‘ mit allem, was darin ist. Du bist es auch, der durch unseren Vater David, deinen Diener, geredet hat, als dieser, vom Heiligen Geist geleitet, sagte: ‚Was soll das Aufbegehren der Nationen? Was bringt es den Völkern, nutzlose Pläne zu schmieden? Die Könige dieser Welt haben sich zum Angriff bereitgemacht, und die Machthaber haben sich miteinander verbündet zum Kampf gegen den Herrn und gegen seinen Gesalbten.‘ Und so ist es tatsächlich gekommen: Hier in dieser Stadt haben sich Herodes und Pontius Pilatus zusammen mit den heidnischen Nationen und den Stämmen Israels gegen deinen heiligen Diener Jesus verbündet, den du gesalbt hast. Doch indem sie so vorgingen, ist genau das eingetreten, was du in deiner Macht vorherbestimmt hattest und was nach deinem Plan geschehen sollte. Höre nun, Herr, wie sie uns drohen, und hilf uns als deinen Dienern, furchtlos und unerschrocken deine Botschaft zu verkünden. Erweise deine Macht, und lass durch den Namen deines heiligen Dieners Jesus Kranke geheilt werden und Wunder und außergewöhnliche Dinge geschehen!“ (Apostelgeschichte 4,24–30 | NGÜ)
Auf Tauchstation gehen?
Die junge Gemeinde in Jerusalem erlebt eine Zäsur: Die zähneknirschende Duldung fängt an, sich zur offenen Verfolgung zu entwickeln. Eigentlich wäre jetzt höchste Vorsicht geboten. Keine öffentlichen Auftritte mehr und schon gar nicht in der Nähe des Tempels unter den Augen der religiösen Machthaber. Vor allem keine Aufmerksamkeit erregenden Wunderheilungen auf offener Straße. Keine offenen Gespräche mehr über das, was sie mit Jesus erlebt haben und was ihr Herz erfüllt. Konspirative Treffen an geheimen Orten. Offene Kommunikation nur gegenüber vertrauenswürdigen Personen. Ein vernünftiger Umgang mit der Bedrohungslage bis sich die Situation wieder beruhigt hat. Dann kann man ja weitersehen …
Wie würdest du reagieren? Vielleicht geht dir meine Fantasie zu weit. Man muss doch nicht gleich in den Untergrund gehen. Man könnte sich auch einfach nur etwas unauffälliger verhalten und beten, dass Gott die Gemeinde bewahrt. Vielleicht auch, dass die Feinde der Gemeinde zum Glauben kommen. Oder dass Gott ihnen das Handwerk legt oder dass er auf andere Weise die Bedrohung wegnimmt.
Mutig und unerschrocken beten lernen
Aber auch das tut die Gemeinde nicht: Im Gegenteil! Sie haben vor, genauso weiter zu machen wie bisher. Mutige öffentliche Predigten und aufsehenerregende Zeichen, die von Gottes Macht zeugen. Also beten sie um Mut und Furchtlosigkeit.
Das erste überlieferte Gemeindegebet ist verblüffend anders als ich – aus dem Bauch heraus – in dieser Situation beten würde. Es ist ein wagemutiges und sogar gefährliches Gebet. Ein Gebet, das sich nicht um die eigene Unversehrtheit und Versorgung dreht, sondern radikal Gottes Auftrag an die erste Stelle setzt.
In seinem Buch „gefährlich beten – wie mutiges Gebet dein Herz und die Welt verändert“ erzählt Pastor Craig Groeschel mit entwaffnender Ehrlichkeit von einem Witz, den sein Freund nach einem Gebetsgottesdienst machte:
- „Hey Craig, glaubst du, dass Gott immer noch Wunder tut?“
- „Na klar“, sagte ich.
- „Gut – weil deine Gebete so lahm sind.“ (aus: Craig Groeschel: Gefährlich beten: Wie mutiges Gebet dein Herz und die Welt verändert. Movement Verlag 2024 | 156 Seiten | ISBN: 978-3944533216
15,00 €)
Die schmerzliche Erkenntnis, dass in dem Witz eine gute Portion Wahrheit steckte, veränderte Craig Groeschels Gebet nachhaltig. Auch mich trifft die kleine Anekdote. Wie oft sind meine Gebete eher brav und wohl abgewogen? Wie oft dreht sich mein Gebet um Selbstverständlichkeiten? Wie oft bleiben meine Gebete auf sich wiederholende und vorhersehbare Sätze mit begrenztem Erwartungshorizont beschränkt? Und – weil wir bei Apostelgeschichte 4 bei einem Gemeindegebet sind – wie sind unsere Gebete am Sonntagmorgen im Gottesdienst? Wie beten wir, wenn wir uns als Gemeinde treffen?
Langweilige und abgewogene Gebete!?
Zur DNA meiner Ortsgemeinde gehört, dass sie nach 10 Jahre anhaltendem Gebet von zwei Frauen entstanden ist. Gebet war über viele Jahre ein wichtiger Teil der Gottesdienste und des Gemeindelebens. Über die Jahre hat das gemeinschaftliche Gebet im Gottesdienst abgenommen. Zum Teil aus guten Gründen: Die Raumakustik machte Gebetsgemeinschaften schwierig. Die Gottesdienste wurden stärker auf kirchenferne Menschen ausgerichtet, die wenig mit frommen Ritualen anfangen können. Das führte, meiner Wahrnehmung nach, zu leichter verständlichen, aber gleichzeitig auch unterkomplexen, sich floskelhaft wiederholenden Gebeten mit begrenzter inhaltlicher Tiefe. Mit dem Wachstum der Gemeinde – man kennt sich nicht mehr unbedingt persönlich – und noch mal mehr mit der Übertragung des Gottesdienstes im Livestream ist zunehmend Vorsicht bei konkreten oder sogar namentlichen Fürbitten geboten. Worte werden sorgfältig gewogen, um Missverständnisse zu vermeiden. Alles in allem: Allgemein weniger Gebet im Gottesdienst und auch weniger gefährliches Gebet.
Ich sehne mich danach, dass es wieder anders wird. Dass wir mehr und dass wir „gefährlich“ beten. Dass wir so beten, wie die Gemeinde in Jerusalem es vormacht: Im Bewusstsein, dass der Schöpfer des Universums die Situation kennt und beherrscht, um Mut, Furchtlosigkeit und Wunder betend.
Was sind gefährliche Gebete?
Mir fällt auf, dass wir manche „gefährlichen“ Gebete fast unbewusst beten. Zum Beispiel im „Vater unser“, wenn wir beten „Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden“ (Matthäus 6,10 | LUT). Wollen wir wirklich, dass Gottes Reich kommt und das sein Wille geschieht? Sind wir uns wirklich bewusst, was wir da erbitten? Wären wir bereit, den Preis zu bezahlen, den mich das vielleicht persönlich kosten könnte, wenn Gottes Reich kommt?
Manche gefährlichen Gebete singen wir auch eher: zum Beispiel bei dem Hillsong-Lied „Hosanna“. Da heißt es: „Show me how to love like You have loved me. Break my heart for what breaks Yours.“ („Zeige mir, wie ich lieben kann, so wie du mich geliebt hast. Brich mir das Herz für das, was deines bricht.“).2 Ich stelle mir vor, was in Koblenz passieren könnte, wenn wir als Gemeinde einmütig erleben würden, dass unser Herz für das bricht, was auch Jesu Herz brechen lässt. Was könnte alles passieren, wenn wir auf einmal alle so lieben könnten, wie Jesus uns geliebt hat?
Andere gefährliche Gebete sind uns zwar von Einzelpersonen in der Bibel überliefert, aber wir können sie leicht auch zu einem einmütig gesprochenen Gemeindegebet machen:
- „Erforsche mich, Gott, und erkenne, was in meinem Herzen vor sich geht; prüfe mich und erkenne meine Gedanken!“ (Psalm 139,23 | LUT)
- „Hier bin ich, sende mich!“ (Jesaja 6,8 | LUT)
Gottes Herzensanliegen – nicht meine
Gefährliche Gebete sind aus meiner Sicht Gebete, die meinen Blick von mir weg lenken zu den Themen, die Gott am Herzen liegen. Gebete, bei denen nicht ich mit meinen Bedürfnissen und meinem Wohlergehen im Mittelpunkt stehen, sondern ich mich auf Gottes Reich und seinen Willen fokussieren. Und es sind Gebete, die über meine, bzw. unsere menschlichen Möglichkeiten und Kräfte hinaus gehen.
Wenn ich Geschwister in der Gemeinde klagen höre, dass wir so wenig mit Gott erleben, dann frage ich mich, ob das nicht manchmal auch damit zu tun haben könnte, dass sich unsere Gebete mehr um uns selbst und unseren engen Horizont drehen als um die Dinge, die Jesus am Herzen liegen. Und dass unsere Gebete manchmal auch so bescheiden bleiben, dass es Gott eigentlich gar nicht dafür braucht, weil wir es wahrscheinlich auch mit unseren eigenen Ressourcen hinbekommen würden. Mutige, gefährliche Gebete bitten mit Blick auf den Schöpfer des Universums um Dinge, die seine Schöpfermacht und sein allmächtiges Handeln erfordern.
Raum für gefährliche Gebete schaffen
Auffallend ist in Apostelgeschichte 4,24 das Wörtchen „einmütig“. Es ist nicht überliefert, wie diese Einmütigkeit zustande kam. Wussten alle spontan, was dran ist? Haben sie sich ausgetauscht und darauf verständigt, was sie beten würden? Um Raum für gefährliche Gebete zu schaffen, ist Einmütigkeit wichtig. Da sind wir uns zwar vielleicht nicht in allen Details völlig einig, aber wir haben eine gemeinsame Stoßrichtung. Die große Linie ist klar und darüber gibt es Einigkeit.
Und ein Weiteres fällt mir auf: Teile des überlieferten Gebetes sind Zitate aus dem Psalm 2. Das Gebet der Gemeinde ist „in den altertümlichen Überlieferungen der Heiligen Schrift verwurzelt.“3 Sie berufen sich in ihrem Gebet auf das, was sie von Gott erfahren haben bzw. aus den Geschichten ihrer Vorfahren von Gott wissen. Ich halte es für eine gute Sache, sich beim Beten an dem zu orientieren, was wir von Gott aus den Überlieferungen wissen können.
Geistliche Übungen neu entdecken
Als Gemeindeleitung lassen wir in Koblenz gerade eine alte geistliche Übung, die bereits vor einigen Jahren praktiziert wurde, wieder aufleben: Am Montag nach dem Abendmahl – wir feiern es immer am ersten Sonntag im Monat, fasten und beten wir als Älteste gemeinsam mit anderen Personen aus der Gemeinde. Am Abend treffen wir uns bei Zoom, um miteinander unsere Erfahrungen und Eindrücke zu sammeln und gemeinsam zu beten.
Wie lange und was gefastet wird, legt jede Person für sich selbst fest. Wichtig ist, dass wir uns im Grundlegenden einig sind: Wir nehmen uns bewusst mehr Zeit als gewöhnlich zu beten und kombinieren es mit Formen des Verzichtes, die uns daran erinnern, wie abhängig wir von Gott und seinem Versorgen, seiner Kraft sind.
Ich bin gespannt, welche Erfahrungen wir in der kommenden Zeit damit machen werden. Meine Sehnsucht ist, dass wir uns mehr und mehr trauen „gefährliche“ Gebete zu beten und dass wir mehr von Gottes Wundern und seiner großen Macht erleben dürfen.
Foto: privat
Dagmar Hees | Mitglied der FeG-Bundesleitung
Gemeindeleitung der FeG Koblenz | feg-koblenz.de
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