Glauben lernen – und verlernen?
Kann man Glauben lernen? „Nein“, würde eine Evangelistin antworten, weil die persönliche Entscheidung für Jesus Christus bei ihr im Vordergrund steht. Ein Religionslehrer würde „Ja“ sagen, weil es Inhalte und Rituale im Glauben und Kirchenjahr gibt, die man verstehen sollte. Ich würde mit „Jein“ antworten, denn Lerninhalte und persönliche Entscheidung sind wesentliche Stationen auf dem Weg, eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger Jesu Christi zu werden. Für Beides dürfen Biblischer Unterricht (BU) und Angebote einer Ortsgemeinde Räume anbieten. Ein „Lernerfolg“ kann und muss dreierlei sein: Jemand nimmt das Evangelium an, lehnt es persönlich ab – oder verschiebt es auf später (vgl. Apostelgeschichte 17,32–34).
Lehren und lernen auf Jesus hin
Für das ewige Leben in der Gemeinschaft mit Gott genügt allein der kindliche Glaube, dass Jesu Tod am Kreuz und seine Auferstehung mir ganz persönlich gilt. Wir als Gemeinden können mit unseren Angeboten und Veranstaltungen da hinführen und herausfordern. Doch produzieren können wir den persönlichen Glauben nicht – den wirkt allein Gottes Geist. Allerdings können wir dafür sorgen, dass wir ihm nicht im Weg stehen, z. B. durch Selbstfixiertheit, Heuchelei oder Antiquiertheit.
Unsere Beziehungen zu (jungen) Menschen sollten zu Jesus Christus hin, aber auch immer wieder zu ihm zurückführen. Also nicht Jüngerinnen und Jünger ausbilden, die alles genauso machen wie wir früher, sondern bewegte Wegweiser auf unseren lebendigen Herrn und Retter sein. Dazu gehört eine gehörige Portion Demut: die eigene Identität in Jesus zu verankern und nicht Bedeutung daraus zu ziehen, dass Menschen zu einem aufschauen.
Glauben hinterfragen und verlernen
Als Kind war ich in der Kinderstunde und auf Freizeiten. Den Biblischen Unterricht habe ich aufgrund eines Schicksalsschlages mit 13 und den turbulenten Teeniejahren verpasst. Mit dem antiquierten Gott und Glauben meiner Kindheit voller strenger Gebote wollte ich nichts mehr zu tun haben. Erst mit 19 – nach meiner Bekehrung – habe ich an einem Taufunterricht teilgenommen.
Unendlich dankbar bin ich für Menschen, die mich in der Zwischenzeit ausgehalten und begleitet haben: mein Hinterfragen, meine Ängste, Zweifel und Ablehnung des bis dahin vom Glauben Gelernten. Sie haben mir dabei geholfen, gewisse Glaubensprägungen zu verlernen, damit Jesus Christus wieder zum Vorschein kommt. Bei ihnen und anderen Gemeinden habe ich erlebt, dass sie Manches anders handhaben als mein Hintergrund, aber die Mitte Jesus Christus gleich ist.
Vorbild und Begleitender sein
Kann man Glauben lehren und lernen? Ich möchte mit Philipp Hermannsdörfer antworten: „Die größte Kunst bei der Weitergabe des Glaubens besteht nicht darin, der nachfolgenden Generation zu sagen, was sie von Gott hören soll; sondern ihr beizubringen, selbst zu hören. Das braucht freilich eine große innere Freiheit, Bescheidenheit und Vertrauen auf den lebendigen Gott; vor allem, wenn bei diesem Hören etwas wächst, das quer zu meinen eigenen Vorstellungen läuft.“ (CHRISTSEIN HEUTE 08/2024, S. 4–6).
Dankbar bin ich für Frauen und Männer, die mir Glaubensinhalte vermittelt haben. Dankbar für die Vorbilder, die mir mit ihrem Leben Handwerkszeug vermittelt haben, wie ich die Bibel lesen und selber auf Gott hören kann – persönlich und in Gemeinschaft. Sie haben mir damit geholfen, meinen Glauben an Jesus Christus weise zu hinterfragen und nicht komplett dekonstruiert über Bord zu werfen.
Ich wünsche Ihnen und uns als FeG-Gemeinden, dass wir Wegweiser und Begleiter für (junge) Menschen in unseren Gemeinden und Umfeld werden, denen es mehr um Beziehung statt nur um die richtigen Inhalte geht.
Liebe Grüße und Segen aus Witten!
Foto: FeG Deutschland | NU
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